Interview: Irische Steuerpolitik und Gewerkschaften

Interview mit der Chefökonomin der größten irischen Gewerkschaft SIPTU – Marie Sherlock. In Form einer freien Übersetzung ins Deutsche und im englischen Original

 

Stephan Leicht: Bitte beschreibe die Steuerpolitk Irlands um Unternehmen wie Apple, Google AirBnB anzuziehen.
Marie Sherlcock: Wir haben einen sehr attraktiven Leitsteuersatz für Unternehmensprofite: 12,5%. Der Kern dieses Geschäftsmodells ist die effektive Besteuerung der Unternehmensprofite, welche weit unter dem 12,5% Leitsteuersatz liegt. Irland erzielt dabei hohe Einkommen aus Unternehmenssteuern. Es gibt große Bemühungen hochwertiges geistiges Eigentum (Anm.: immaterielles Vermögen wie Lizenzen, Patente, etc.) durch diese Steuerpolitik anzuziehen.

Stephan Leicht: Verglichen zur Besteuerung der Unternehmensgewinne, wie hoch ist das Durchschnittseinkommen und wie hoch ist es versteuert?
Marie Sherlock: Das Durchschnittseinkommen liegt bei ca. 36.000€ jährlich, wobei der Grenzsteuersatz bei 29% liegt. Steigt das Einkommen auch nur geringfügig darüber, steigt der Grenzsteuersatz sehr schnell auf knapp 50% an. Man kann also von einer Steuerlücke zwischen der Besteuerung von Unternehmensgewinnen und der Besteuerung von Einkommen sprechen.

Stephan Leicht: Hat diese Steuerpolitik die irische Wirtschaft beflügelt?
Marie Sherlock: Ja, das hat sie. Speziell während des Booms vor dem Crash 2008. Aber auch danach: 2015 hatten wir eine Wachstumsrate von 26% (Anm.: Wer es nicht glauben kann, klicke auf diesen Link). Die Wachstumsrate heuer beträgt bis jetzt 7% und ist vor allem auf das Wachstum im Multinationalen Sektor zurück zu führen.
Worauf die Gewerkschaften deutlich hinweisen ist, dass diese Wachstumsraten nicht in den Einkommensentwicklungen widerspiegeln.

Stephan Leicht: Wie sehen irische Gewerkschaften diese Steuerpolitik? Und wie sieht SIPTU speziell diese Politik?
Marie Sherlock: SIPTU ist sehr vorsichtig… würde man auf eine Anhebung des Leitsteuersatzes auf Unternehmensgewinne pochen und würde dieser dann tatsächlich angehoben, würde das viele Mitglieder verstören, weil sie ihre Jobs verlieren würden. Die Unternehmen, die sie anstellen, würden einfach in ein anderes Land ausweichen. Somit sieht SIPTUs Steuerpolitik so aus, dass wir dem Leitsteuersatz von 12,5% zustimmen, die effektive Besteuerung soll hingegen näher zu diesem Leitsteuersatz hinbewegt werden.

Stephan Leicht: Aus einer europäischen Perspektive entzieht das irische Steuermodell Unternehmensprofite und somit Vermögen von den anderen europäischen Ländern. Kreiert es Vermögen hier in Irland? Und profitiert die irische Gesellschaft, die irische Arbeitskraft und das irische Sozialsystem von diesem Steuermodell, weil es mehr Kapital anzieht?
Marie Sherlock: Irland und auch SIPTU unterstützen die digitale Steueragenda der EU
Zugleich tun wir uns aber schwer mit der Einführung dieser Agenda, da wir damit riskieren die Unternehmen zu verlieren.

Stephan Leicht: “Wenig, weniger, am Wenigsten – keine Steuern mehr!” ist das Geschäftsmodell eines Steuerhafens, der Profite zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren trachtet. Würden andere Staaten diesem Modell folgen, würde ein „Race to the bottom“ beginnen… die Verlierer dieses Rennens kennen wir GewerkschafterInnen bereits jetzt schon sehr gut: Arbeitende, Sozialsysteme, der Staat, die Demokratie… wird diese Sichtweise Steuervermeidung zu betrachten von irischen Gewerkschaften geteilt? Und wie sieht es mit dem irischen Wähler und der irischen Wählerin aus?
Marie Sherlock: Du musst vorsichtig sein mit dem Wording, weil Irland kein Steuerhafen ist. Die Gewerkschaften möchten die unterschiedliche Besteuerung des Faktors Arbeit und der Unternehmensprofite näher aneinander angleichen. Der irische Wähler und die irische Wählerin währen hingegen vermutlich ängstlich irgend etwas in diese Richtung Gehendes zu tun. Dass eine höhere Besteuerung Auswirkungen auf die irische Wirtschaft hätte ist klar. Von einer europäischen Perspektive aus, kann ich diese Sichtweise jedoch eindeutig nachvollziehen.

Stephan Leicht: Vielen Dank für das Interview!
Marie Sherlock: War mir ein Vergnügen mit dir zu sprechen!

Interview: The irish Tax policy and the unioins
Stephan Leicht interviews SIPTUs’ economist Marie Sherlock

Stephan Leicht: Please describe the tax policy of the Irish government to attract companies as Apple, Google, AirBnB,…
Marie Sherlock: Basically we have an already attractive headline tax rate to corporation profits: 12,5%. The key point of that business model is that the effective rate will even be much lower than this headline rate. Ireland has high corporate tax revenues. There is an increase in attracting high skill intellectual property.

Stephan Leicht: So in comparison to that how high is the average income and how high is that taxed?
Marie Sherlock: The average income is around 36.000€ and that is taxed at 29%. If your wage is higher, it will be taxed at 50% very quickly. So there is a tax gap between corporate tax and wage tax.

Stephan Leicht: Did this tax policy boost up the Irish economy?
Marie Sherlock: Yes it did, in particular in the boom time before the crash of 2008. So 2015 we had a growth rate of 26% and 7% this year highly led by the multinational sector. What unions point out clearly is that these growth rates are not reflected at the workers pay.

Stephan Leicht: How do Irish trade unions see this tax policy? And how does SIPTU in particular see this policy?
Marie Sherlock: SIPTU is very careful. If you would move the headline tax rate of 12,5% and make it higher, it would make a lot of members unhappy because they would lose their jobs – the companies which employed them would just go somewhere else. So SIPTU’s tax policy asks to keep the headline tax rate of 12,5% but to bring the effective rate higher and closer to the 12,5%.

Stephan Leicht: From a European point of view the Irish tax business model takes away wealth from the rest of European societies. Does it create wealth here in Ireland and if yes, wealth for whom? And does the Irish society, the Irish labor force and the social system profit from the Irish Tax Policy, because more capital flows in?
Marie Sherlock: Ireland broadly supports the digital tax agenda from the EU. But in the same time it struggles to introduce it because of the risk to lose the companies.

Stephan Leicht: “Low, lower, the lowest – no tax here” is a tax haven business model, that privatizes profits and socializes losses. If other states would follow that model a race to the bottom would begin… the losers of this race are well known to unions: Workers, Social Systems, the state, probably democracy… is that way of looking at tax prevention shared by Irish unions? And what about the Irish voter?
Marie Sherlock: You have to be careful with the wording, Ireland is not a tax haven. The unions want to close the tax gab between labor force and corporate profit a little more, the Irish voter would probably be afraid to do anything. He or she will clearly understand that that would have an impact to the Irish economy. But from a European point of view I can clearly understand this way of seeing it.

Stephan Leicht: Thank you for the interview!
Marie Sherlock: It was a pleasure speaking to you.

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