Kiljavanrata als finnisches Gegenstück zur österreichischen Sozialakademie? Nein, leider nicht mehr. Aber das war es einmal. Bis vor ca. 10 Jahren gab es auch hier in Kiljava einen 10-monatigen Lehrgang vergleichbar mit unserer Sozialakademie. Doch auch hier in Finnland hat man mit denselben Problemen zu kämpfen. Abnehmende Gewerkschaftsmitglieder, Veränderungen der Politlandschaften, usw…
Aber deswegen die Flinte ins Korn werfen? Keineswegs. Es gibt viel zu tun, auch hier. Aber vielleicht mal von Anfang an.
Nach den beiden Weltkriegen und dem dazwischenliegenden blutigen Bürgerkrieg in Finnland entstand eine neue Gesellschaft. Basierend auf Vereinbarungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern entstand auf gesetzlicher Grundlage das Recht auf Bildung. Es entstand ein kollektives Verständnis zur Entwicklung und Förderung der Arbeitsbedingungen. Zu diesem Zweck wurden Bildungsinstitute für die Gewerkschaftsbewegung errichtet. Als erste dieser Einrichtungen entstand das Institut in Kiljava des finnischen Gewerkschaftsbundes SAK (Suomen Ammattiliittojen Keskusjärjestö). Danach kamen weitere Einrichtungen der anderen Gewerkschaften. Kurse wurden in unterschiedlichen Längen und Fachbereichen angeboten. Das finanzielle Funktionieren wurde unter dem „nationale Prinzip der Volkshochschulen“ garantiert. Und es wurden rechtlich Grundlagen zur Teilnahme zu den Kursen geschaffen.
Das Bildungssystem von Finnland unterscheidet sich nur unwesentlich von dem unseren. Es beginnt mit der „Frühkindlichen Bildung und Pflege“ (Kindergarten), Vorschule, Grundschule von 7 bis 16 Jahre und dann teilt es sich zwischen der beruflichen oder der akademischen Laufbahn an den Universitäten. Doch selbst wenn man bereits den beruflichen Werdegang eingeschlagen hat, ist die Erwachsenenbildung auf vielen verschiedenen Arten möglich. Angeboten werden Sportinstitute, Studentenzentren, Sommeruniversitäten, Volkshochschulen und weitere Erwachsenenbildungszentren.
Die Gewerkschaften bieten hierzulande in erster Linie Grundkurse sowie die ersten Basiskurse an. Weiterführende und aufbauende Kurse für Repräsentanten werden in den Instituten, wie z.B. Kiljava, Murikka…, durchgeführt. Spezielle Fähigkeiten sowie Supplementierung von neuen Mitgliedern können in diesen Studienzentren angeeignet werden.
Im Institut von Kiljava können sich die Shop Stewards (Vertrauensleute bei Betrieben ab 20 Mitarbeitern, vergleichbar mit unseren Betriebsräten) aus- und weiterbilden. Beginnend mit einem einwöchigen Basiskurs und einem zweimal einwöchigen Aufbaukurs. Im Bereich der Gesund- und Sicherheit werden die Kurse in derselben Abfolge abgewickelt. Für die Gewerkschaftsangehörigen werden Grundlagen der Vereinsarbeit vermittelt, Kurse für Vorsitzende, Sekretäre und für junge Mitglieder der Gewerkschaften. Sämtliche dieser erwähnten Lehrgänge schließen mit einem einmonatigen Kurs über Soziologie, Geschichte, Öffentlichkeitsarbeit, usw. ab.
Diese Einrichtung wird privat organisiert und besteht aus den beiden Instituten Kiljava & Voionmaa. 60 Personen gehören dem Mitarbeiterstamm an. Die jährlichen Kosten belaufen sich auf ca. 6,5 – 7 Millionen. In Voionmaa sind ca. 120 Studenten aktiv. Das Institut von Voionmaa ist eine Medienschule für die Bereiche Akteure (Schauspieler), Photographen, Filmemacher, Journalistik, Radio und auch neu für Psychologie.
Der dritte Bildungsbereich der hier abgedeckt wird ist die Berufsausbildung. Speziell in Bau und Konstruktion. Die Berufsausbildung hier in Finnland unterscheidet sich ein wenig der unseren. In Finnland beginnt die Ausbildung mit einer zweijährigen Schulausbildung und anschließend ein Jahr Praxis in einem Betrieb. Die Regierung plant zurzeit eine Umstellung des Systems von zwei Jahren Schule und ein Jahr Praxis auf ein Jahr Schule und zwei Jahren Praxis. Was sich für uns im ersten Moment nicht ganz so tragisch anhört ist hierzulande sehr wohl ein riesen Thema. Zumal man sich hier nicht vorstellen kann wie jemand einen Job qualifiziert ausüben kann ohne vorher mindestens zwei Jahre zur Schule zu gehen. Und zum zweiten fürchtet man hier einen Verdrängungswettbewerb durch die Auszubildenden. Insbesondere dadurch, dass die Kräfte an den Samstagen, Sonntagen und so weiter eingesetzt werden da diese nicht bezahlt werden müssen. Die Auszubildenden bekommen hierzulande keinen Lohn, Gehalt oder sonst dergleichen da die komplette Ausbildung (Schule und Praxis) als Schulausbildung gesehen wird. Interessant!
Zusätzlich gibt es hier noch ein paar andere Gedanken oder Sorgen (Ängste) was die Zukunft betrifft:
- Härtere Gangart gegenüber den Gewerkschaften
- Arbeitgeber könnten versuchen die gewerkschaftliche Bildung zu stoppen
- Arbeitgeber könnten sich weigern die Vereinbarungen zu verlängern
- Die finanzielle Situation der Gewerkschaften, weniger Mitglieder in Zukunft
- Zusammenlegung von Gewerkschaften, zentralisieren der Aktivitäten
Gegenwärtige Situation der Institute Kiljava und Voionmaa
Wie man sehen kann ist zurzeit nicht wirklich von einer positiven Situation zu sprechen. Aus diesem Grund hat man sich für die Zukunft schon einige Ideen gemacht.
- Ausbildung in der Stadt (Über eine Verlegung nach Helsinki wird überlegt)
- Das e-learning soll verstärkt unterstützt werden
- Tiefer gehende (fachbezogen) und höhere (wertige) Ausbildung
- Mehr qualifizierte pädagogische Fähigkeiten für die Lehrer
- Mehr Unterstützung für die Ausbildung und das Ausbildungssystem
Wie unschwer zu erkennen ist, hat man hier zu Lande mit ähnlichen Themen zu kämpfen wie wir in Österreich. Für mich endet schön langsam eine tolle Woche hier in Kiljava. Ein Ort an dem ich wirklich sehr herzlich empfangen wurde. Besonders vom hier ansässigen Leiter des Instituts Ari-Pekka Lundén. Auch die übrigen Personen die ich hier vor Ort kennenlernen durfte all die Lehrer und Mitarbeiter des Institutes. Und nun freue ich mich schon sehr auf meine nächsten beiden Wochen in Helsinki die ich bei der Gewerkschaft für Bau verbringen werde.
Noch ein paar Impressionen von Kiljava