Hinterm Horizont geht’s weiter …
Die Stärkung der gewerkschaftspolitischen Handlungskompetenz, also wirtschaftliche, rechtliche, soziale und kulturelle Interessen von ArbeitnehmerInnen besser durchsetzen zu können, ist das Hauptziel der Vollzeitausbildung an der Sozialakademie der Arbeiterkammer (SOZAK).
Die Erreichung dieses Ziels ist sehr eng mit der sich rasch verändernden Arbeitswelt verknüpft, deshalb ist es von großer Wichtigkeit, die Lehrgangsinhalte laufend zu überprüfen und an neue Anforderungen von ArbeitnehmervertreterInnen anzupassen. So müssen sich etwa BetriebsrätInnen und GewerkschaftssekretärInnen immer mehr mit der stärker werdenden Europäisierung und Internationalisierung auseinanderzusetzen, denn die Dynamik in der politischen Gestaltung Europas nimmt stetig zu, die Unternehmen sind mehr denn je grenzüberschreitend tätig, und das hat vielfältige Auswirkungen auf ArbeitnehmerInnen und ihre InteressenvertreterInnen.
Eine wesentliche Aufgabe von gewerkschaftlicher Bildungsarbeit ist es, auf diese Entwicklungen einzugehen und die GewerkschafterInnen und BetriebsrätInnen viel stärker anzuregen, international zu denken und zu handeln. Der Anteil der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit auf europäischer und internationaler Ebene hat sich in den vergangenen Jahren zwar verstärkt, ist aber trotzdem noch das Geschäft weniger ExpertInnen. Ziel sollte es aber sein, ArbeitnehmervertreterInnen auf allen Ebenen grenzüberschreitend aktiv werden zu lassen, um die Zusammenarbeit der Gewerkschaften auf europäischer Ebene zu verbessern und eine immer noch vorhandene Europaskepsis abzubauen.
Diese Möglichkeit bietet die SOZAK ihren TeilnehmerInnen und schickt sie im Rahmen ihrer 10monatigen Ausbildung für einen Monat in europäische Länder, wo sie bei Gewerkschaften, in Betrieben oder Arbeitnehmerinteressenvertretungen den internationalen Gedanken leben. So werden die TeilnehmerInnen des 67. Sozialakademie-Lehrgangs im April 2018 etwa bei der ZSSS in Slowenien, der IF Metall und Unionen in Stockholm, der SEP und SPGL in Lissabon, bei Unison und der Unite in London, der Siptu in Dublin, der FNV in Amsterdam, der TSL in Helsinki und Kiljava, der CGIL in Mailand, der Nezavisnost in Belgrad sowie bei der IG Metall, IGBCE, IGBAU, NGG, EVG und beim DGB an unterschiedlichen Orten in Deutschland machen (um nur einige Beispiele zu nennen) ihr Europapraktikum absolvieren können.
Dieses Praktikum ist integraler Bestandteil des SOZAK-Gesamtkonzepts. Neben einer Erweiterung führt dies auch zu einer sinnvollen Abrundung der Ausbildung, denn viele theoretische Inputs des Lehrgangs zielen direkt auf die internationale gewerkschaftliche Handlungskompetenz ab. Durch die praktischen Erfahrungen im Ausland werden diese noch besser verstanden.
Selbstverständlich werden die SOZAK-TeilnehmerInnen intensiv auf das Europapraktikum vorbereitet. Bei der umfassenden fachlichen Ausbildung in den verschiedenen Themenbereichen wird verstärkt auf internationale Zusammenhänge eingegangen und dieser Ebene besonderes Augenmerk beigemessen. Durch den bevorstehenden Aufenthalt im Ausland werden die LehrgangsteilnehmerInnen angeregt, sich noch intensiver mit den Gegebenheiten anderer Länder – speziell ihrem Zielland – auseinanderzusetzen und ihre diesbezüglichen Kenntnisse zu vertiefen, was auch für ihre aktive Arbeit in den Gewerkschaften und Betrieben positive Auswirkungen verspricht.
Der Englischunterricht wird verstärkt und nimmt Hemmungen, englischsprachige oder skandinavische Staaten als Zielländer anzupeilen.
Eine Studienreise nach Brüssel, bei der die SOZAK-BesucherInnen neben den europäischen Institutionen auch die internationale Arbeit von ÖGB und AK kennenlernen, stellen wichtige Bestandteile des Lehrgangs dar und sind eine Vorbereitung auf den Monat im Ausland.
Bei der Vorbereitung auf das Europapraktikum werden die SOZAK-TeilnehmerInnen neben der Lehrgangsleitung auch von ihren zuständigen Gewerkschaften, die bei sämtlichen Schritten voll eingebunden sind, unterstützt. In enger Absprache mit den Bildungssekretären und den Internationalen Sekretären legen die Lehrgangsleitung und die SOZAK-TeilnehmerInnen die Zielländer und -organisationen fest. Neben den individuellen Interessen wird vor allem auf die gewerkschaftlichen Interessen geachtet, da die Erkenntnisse möglichst vielen KollegInnen in den Betrieben und den Organisationen für ihre praktische Arbeit von Nutzen sein sollen. Aus diesem Grund werden die Studierenden vor Beginn ihres Praktikums mit konkreten Arbeitsaufträgen ausgestattet. Die Aufträge sollen den PraktikantInnen einerseits eine Orientierung geben, was sich die Gewerkschaften von ihrem Auslandspraktikum erwarten und andererseits wird ihnen damit noch stärker bewusst, worauf sie in diesem Monat bei ihrer Arbeit in einem ausländischen Betrieb oder einer europäischen Gewerkschaftsorganisation zu achten haben.
Alle SOZAK-TeilnehmerInnen erhalten während des Auslandsmonats einen von der Lehrgangsleitung und der Gewerkschaft ausgewählten Betriebsrat oder Gewerkschaftssekretär in der jeweiligen ausländischen Organisation zur Seite gestellt, der sie betreut und auch bei allfälligen organisatorischen Angelegenheiten unterstützt. Dieser greift den TeilnehmerInnen auch bei der Erfüllung der Arbeitsaufträge unter die Arme und ist ihnen bei der Erweiterung ihres ausländischen Netzwerks behilflich. Die fachkundige Betreuung ist ein wichtiger Bestandteil, denn nur so ist gewährleistet, dass das SOZAK-Auslandspraktikums den größtmöglichen Mehrwert für die TeilnehmerInnen und die entsendenden Organisationen mit sich bringt.
Zurück in Österreich werden die Ergebnisse mit den VertreterInnen der Gewerkschaften diskutiert und von jedem Teilnehmer in einem ausführlichen Praktikumsbericht zusammengefasst. Diese Berichte stehen – ähnlich den Projektarbeiten an der SOZAK – den Gewerkschaften und BetriebsrätInnen für ihre Arbeit zur Verfügung. Damit sollen die Kenntnisgewinne nicht nur auf die PraktikantInnen beschränkt bleiben, sondern so vielen KollegInnen wie möglich in ihrer täglichen Arbeit zu Gute kommen und helfen, die ArbeitnehmerInnen bestmöglich zu vertreten.
Die Lernziele eines derartigen Praktikums sind vielfältig. Durch das Europapraktikum lernen die TeilnehmerInnen Arbeits- und Lebensbedingungen anderer Länder ebenso wie die Strukturen der jeweiligen Gewerkschafts- und Interessensvertretungsorganisationen kennen. Außerdem machen sie sich mit den politischen, ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen unter denen die dortigen ArbeitnehmervertreterInnen tätig sind vertraut. Des Weiteren ist es wichtig, dass die TeilnehmerInnen erfahren, welche Organisierungs- und Mobilisierungskonzepte unsere Partnerorganisationen und –betriebe erfolgreich anwenden. Das solidarische Handeln soll gestärkt und ein Informations- und Kooperationsnetzwerk geschaffen werden, das in der Folge auch die österreichischen Gewerkschaften und BetriebsrätInnen für sich nutzen können. Außerdem lernen sie, ihre Erfahrungen und Kenntnisgewinne aus diesem Aufenthalt für ihre KollegInnen und Organisationen aufzubereiten, um es für diese optimal nutzbar zu machen. Das Auslandsmonat in der SOZAK ist ein wichtiger Schritt in der gewerkschaftlichen Bildung hin zu mehr Internationalität, europäischer Vernetzung und länderübergreifender Handlungsfähigkeit von Gewerkschaften und Betriebsratskörperschaften.